Der Leistungsdruck im Job steigt kontinuierlich. Fast jedem zweiten Berufstätigen fällt es deshalb schwer, in der Freizeit wirklich abzuschalten und sich zu erholen. Unerledigtes wird zu Hause bearbeitet, Probleme rauben den Schlaf. Dieser fehlende Abstand hat oft gravierende Folgen: Die Leistungsfähigkeit lässt nach, es kommt zu Stress und Panikattacken. Letztlich droht der völlige Kollaps: Burnout.
Der bekannte Fachreferent und Experte für Burnout-Prävention Frank Berndt zeigte anhand anschaulicher Praxisbeispiele, wie es möglich ist, auch unter großem Stress entspannt zu bleiben.
Mit seiner humorvollen Art gab er dem interessierten Publikum in knapp zwei Stunden wertvolle Tipps zur Stress-Prävention. Dabei erklärte er, was die tatsächlichen Hintergründe des „gedanklich-nicht-abschalten-Könnens“ sind und wie man die Ursachen erkennt.
Hier die wichtigsten Beispiele und Tipps von Frank Berndt im Überblick:
- Jede Anspannung und jeder Stressmoment braucht Entspannungsphasen, sonst verringern sich Leistungsfähigkeit und emotionale Belastbarkeit. Beispiel Alkohol: Dieser muss auch erst abgebaut werden. Sonst trifft Alkohol auf noch nicht abgebauten Alkohol, was irgendwann zu einer Alkoholvergiftung führt.
Bei Stress sollte man deshalb unbedingt seinen Körper aktiv bewegen, um Stresshormone abzubauen. - Stress entsteht durch Kontrollverlust. Entscheidend für das Gefühl von Stress sind einerseits die eigenen Handlungsmöglichkeiten, auf der anderen Seite das Schadenspotenzial. Stress ist deshalb immer subjektiv: Wie schlimm ist es für mich, Andere zu enttäuschen, hängen zu lassen oder mit Disharmonie umzugehen, etc.?
- Fakt ist: „Ein System spielt immer perfekt zusammen. Nicht immer gut. Aber immer perfekt.” Beispiel: In einem Team sind zwei Kollegen mit unterschiedlicher Einschätzung eines Schadenspotenzials (2 und 9). Der mit dem höheren Wert wird immer mehr arbeiten, um das Scheitern eines Projekts zu vermeiden, während der mit dem niedrigeren denkt, es laufe wunderbar.
- Stress bringt meist Angst mit sich. Bei der Einschätzung des Schadenspotenzials ist es daher wichtig, heraus zu finden, was die Angst ist, die jemanden treibt. Mögliche Faktoren sind: Kontrollverlust, Versagen, Kritik, Ablehnung, Enttäuschung, Verlust von Sicherheit (Arbeitsplatz). Der Ursprung unserer Angst resultiert dabei aus eigenen Erfahrungen aus der Kindheit, Verhaltensmustern unserer Eltern oder kollektiver übertragener Angst.
- Dabei gilt: Entspannen und „abschalten“ gelingt nur im „angstfreien“ Raum.
Ein angstfreier Raum entsteht nur, wenn ich der Gefahr ins Auge schaue und mich ihr stelle. Dabei hilft die emotionale Dehnübung: Bereit sein, den Worstcase zuzulassen und sich mit seinen tiefsten Ängsten auseinanderzusetzen. - Angst macht das Denken eng. Erkennt die Amygdala (Mandelkern im Gehirn) irgendwo eine Gefahr, justiert sie sich selber. Mit jedem Stressmoment kalibriert sie immer kleiner. Bis man sich gar nichts mehr (zu)traut. Um einen angstfreien Raum zu schaffen, muss man sich daher fragen:
Was ist meine Angst?
Wer bin ich? Was macht mich aus?
Was bin ich wert? Wenn ich versage, es nicht schaffe, die Erwartungen enttäusche, kritisiert werde, nicht mithalten kann… - Und sollte wieder Anspannung oder Stress entstehen, sagt man sich bei der Abwägung seiner Handlungsmöglichkeiten und des Schadenspotenzials: „So wie es im Moment in meinem Leben ist, will ich es haben. Für alles andere ist mir der Preis zu hoch.”
Fotos und Text: Simone Philipp
Referent:
Frank Berndt ist Leiter der Fachberatungsstelle für Burnout und psychosoziale Belastung im beruflichen Kontext.
Der Individualpsychologische Coach, Dozent, Autor und „Experte für Burnout-Fälle“ (lt. Focus) unterstützt Unternehmen und Organisationen im Bereich Prävention, Stressmanagement und gesunde Mitarbeiterführung. Zu seinen Kunden gehören dabei DAX Konzerne ebenso wie namhafte mittelständische Unternehmen, Ministerien und soziale Einrichtungen.
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