ESCADA, Marketingpreisträger des Marketing-Club München 2012, war eingeladen für einen Vortrag, der über die zwangsläufig kurze marketing-inhaltliche Präsentation mit einer umso beeindruckenderen Fashion Show bei der glamourösen Preisverleihung im Herbst 2012 hinausgehen sollte, um den „gelungenen Restart einer Weltmarke“ im Gesamtkontext des Unternehmens- und Marketing-Management darzustellen.
Fotos: Michael Kuhlmann
Ca. 100 Mitglieder und Gäste, mit Tendenz zu weiblicher Mehrzahl, hatten sich daher bei hochsommerlichen Temperaturen im schönen Versammlungssaal der Schweisfurth-Stiftung am Schlossrondell Nymphenburg eingefunden, um von Dr. Bruno Sälzer, dem CEO von ESCADA seit 2008, nicht nur einen gestrafften, aber vollständigen Überblick über die Erfolgsfaktoren des ESCADA Turnaround zu erhalten, sondern auch etwas mitzubekommen von den Schwingungen des Fashion Business in der Top-Liga weltweit führender Modemarken.
Und Sälzer, Top-Manager mit breiter Industrieerfahrung bei Beiersdorf und Schwarzkopf und vor ESCADA bereits 13 Jahre Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender HUGO BOSS, ließ in seiner Präsentation keinen Zweifel, dass ESCADA zurück auf der Erfolgsspur ist und umriss die wesentlichen Stellhebel der Restrukturierung und des nachhaltigen Erfolgses.
Heritage: 1976 von Margaretha und Wolfgang Ley gegründet. Börsengang 1986. Stürmischer internationaler Expansion und Extension in weitere Luxusgüterbereiche, Duft, Brillen, Accessoires, etc. folgten wirtschaftliche Turbulenzen, die Insolvenz Ende 2009 und die Übernahme durch eine Investmentgesellschaft von Megha Mittal. Entscheidend für die Stabilität des Markenimage blieb die unumstrittene Designleistung und die Qualität der Modeprodukte, sodass die Kundinnen keine wesentlichen negativen Erfahrungen aus den Firmenproblemen machen mussten. Heute sieht sich ESCADA unter den sieben führenden Modelabels im Topsegment der Damenmode.
ESCADA 2013: 750 Mio € Umsatz p.a. zu Verbraucherpreisen, davon Lizenzprodukte (Duft, Brillen, Homeware) 250 Mio.; Produktlinien: zwei Drittel Escada, ein Drittel Escada Sport; weltweite Präsenz in Metropolen in 79 Ländern mit über 1.100 POS, zwei Drittel über eigene Geschäfte; starker internationaler Schwerpunkt und Reputation; 87% des Umsatzes außerhalb Deutschlands.
Management-Programm: Reduzierung Produkt-Komplexität auf die Hälfte; neue Produkte; Erweiterung Preisspektrum innerhalb Sortimentsstruktur; Reduzierung der Lieferzeiten um 25%; neue Lieferantenstruktur und Einsatz neuer innovativer Stoffe und Fixtures; neues Store Concept mit Fokus auf Dayware, Must-Have-Items; Einführung des E-store ESCADA.com; Schärfung des Sollimage auf „Sensual Femininity, Cool Glamour, Modern Elegance“.
Vision & Values: die Marken- und Unternehmensführung orientiert sich nach den drei Grundwerten Commitment, Innovation und Passion, auf denen die weltweit gültige Markenvision basiert „We make women look and feel good with feminie, glamorous, elegant and high quality fashion“. Und es wird sichtbar anhand der von Dr. Bruno Sälzer gezeigten Bildbeispiele des gesamten Marketing-Mix, dasss dies in operative Excellence umgesetzt wird.
Mission Statement: Basierend auf drei Statements „Product Leadership, Market Intimacy und Operational Excellence“ wird klar, dass auch im Wettberbsumfeld einer solchen Top-Mode-Marke die Unterlegung des Markenversprechens mit einer spürbaren Qualitätsüberlegenheit und daher fundierten „Value for Money“ Aussage hinterlegt ist. Den Markt besser zu kennen über organisierte Markt- und Verbraucher-Insights in den trendbestimmenden Metropolen und mit den erfahrenen Mode-Insidern aus den ESCADA Shops gehört ebenso dazu wie eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur und Prozessführeschaft und Zuverlässigkeit von Produktion und Logistik im Bereich der operativen Excellence. Möglicherweise liegt hier sogar der Schlüssel für die Erreichung wirtschaftlichen Erfolges. Denn selbst wenn das kreative Produkt hervorragend ist, so ist im Top-Modebereich noch lange nicht sichergestellt, das alles Bemühen in wirtschaftlichem Erfolg mündet – wie Branchenkenner wissen.
Brands & Competition:der Modemarkt lässt sich in drei Segmente einer Pyramide teilen. Couture/Eveningwear als schmaleres, Topsegment mit den höchsten Stückerlösen, Business-/Daywear als größeres Mittelsegment und Casualwear als das breiteste Marktsegment. ESCADA zielt klar auf das Topsegment mit den Wettbewerbern Chanel, Dior, Valentino und G. Armani und auf die Mitte mit weiteren Wettbewerbern wie Max Mara, D & G, Akris und Collezioni. ESCADA Sport zielt auf die Segmente Business-/Daywear und Casualwear und trifft dort auf weitere Wettbewerber wie Michael Kors, C. Herrera, RED Valentino und dann Max Mara Weekend, Moncler, Burberry Brit, Armani Jeans, Polo RL und DKNY.
Die Markenwerte für ESCADA und ESCADA Sport sind in wesentlichen Bereichen identisch: Love of Colour, Distinctive Details, Perfect Fit, Refined Quality – unterscheiden sich jedoch im Designstil entsprechend den Zielsegemnten. Modern Elegance, Cool Glamour, Sensual Feminity für ESCADA und Casual Chic, Relaxed Feminity für ESCADA Sport.
Die Sortimentsstruktur von ESCADA zielt also auf ein durchaus nenneswertes Marktvolumen und vermeidet durch ein interessantes Preisspektrum Zugangsbarrieren, ohne den Top-Anspruch der Marke in Frage zu stellen.
Tools of Fascination: Es ist einleuchtend, dass eine Top-Modemarke wie ESCADA nicht ein klassisches Pull-Marketing über große Medienkampagnen fahren kann, sondern dass das Marketingbudget intelligent über eine Anzahl von Marketing-Tools gesteuert werden muss, die sich möglichst synergetisch ergänzen und befruchten. Die wichtigsten saisonalen und übersaisonalen Tools erläuterte Herr Dr. Sälzer anhand von Bildern und Beispielen: Basiskampagnen zur Themenorientierung, Visual Merchandising über Schaufenster, Store Events, Shows, Pressetage und Editorials folgen dem saisonalen Kalender.
Image Events, Celebrity Dressing auf weltweit und überregional beachteten Veranstaltungen wie Golden Globe, Tony Awards, etc., Gestaltung der ESCADA Stores und Shop-in-Shop Outlets, Fashion Stories/Specials und Sponsoring und Charity haben übersaisonalen Charakter.
Eine besondere Rolle für das innovative Marketing nimmt der Bereich Digital Engagement ein, der seit kurzem ergänzt wird durch einen E-Store, bei dem die Kundin direkt einkaufen kann – mit sehr ermutigenden Kenziffern für Absatzpotenzial und Kundenzufriedenheit.
Die Vernetzung der Offline-Welt mit der Online-Plattform von Social Media und Digital Marketing wird von Dr. Sälzer als besonders wichtig für ESCADA herausgestellt – und dies ist insbesondere für ein solches Modelabel verständlich, dessen gesamtes Marketing-Mix so stark direkt über die eigene Organisation und verbundene Partner gemanaged wird.
Dass nach 45 Minuten interessantem Vortrag eine mehr als angeregte Diskussion stattfand, in der sich immerhin eine Teilnehmerin als überzeugte ESCADA Kundin offenbarte, ist verständlich. Es dürften unter den Zuhörerinen noch ein paar mehr gewesen sein, deren Kleiderschrank durch ESCADA geadelt ist – Gott sei Dank war an diesem Abend jedoch kein feminies Outfit zweimal vertreten – die Horrorvorstellung jedes Mode-Managers bei Celebrity Events. Es verwundert übrigens nicht, dass ESCADA durch gezielte Recherche-Tools einen solchen Mode-Gau ausschließt.
Text: Dietmar Turocha