Ca. 150 Marketer trafen sich trotz hochsommerlichen Wetters im Oberanger Theater zu einem Resümee der besonderen Art: Was ist wirklich dran an Social Media? Hierfür hatte der MCM drei namhafte Vertreter aus den Disziplinen Wissenschaft, Theorie und Praxis geladen:
Nach ihren Impulsreferaten diskutierten Univ.-Prof. Dr. Anton Meyer (LMU), Claus Fesel (Leiter Zentrales Marketing DATEV eG) und Thomas Knüwer (Unternehmensberater) unter Leitung von Alexander Wunschel (MCM).
In seinem launigen Kurzvortrag forderte Anton Meyer ein radikales Umdenken, verursacht durch eine verkehrte Welt im Marketing. Interaktives Marketing bis hin zur konsequenten One-to-One-Kommunikation muss die Strategien beherrschen. Der notwendige Wandel erfordert ein Umdenken, weg von einem produktorientieren, hin zu einem servicedominierten Marketingverständnis. Ein Fluss von Erlebnissen bestimmt das Konsumverhalten, und im Rahmen dessen sollte der klassischen Mehrwert in Richtung „Creation of Value“ weiterentwickelt werden. Das Unternehmen ist zwar nach wie vor verantwortlich für Marken-„Führung“, die Marken müssen zukünftig allerdings zunehmend gecoached und gemanaged werden.
Claus Fesel führte in seinem Vortrag mit hohem Praxisbezug durch das Thema. Seit drei Jahren führt Fesel die Marke DATEV in vielen Web 2.0-Kanälen stringent und konsequent. Beweggründe für die Social-Media-Aktivitäten waren Reichweite, Dialog, Suche und Reputation. Ein Projekt, welches von Anfang an viel Mut, Trial and Error erforderte hat inzwischen anerkannten Best-Practise-Status in der B2B-Social-Media-Kommunikation. So spielt DATEV die komplette Klaviatur: Blog, Twitter, Podcasts, Youtube und Facebook. Und das mitunter auch um den allseits propagierten, aber noch nicht nachgewiesenen Kontrollverlusteffekten im Social Web mit einer glaubwürdigen Präsenz in Social Media entgegenwirken zu können.
Der ehemalige Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer ist ein Digital Immigrant der ersten Stunde und vertrat trotz seiner aktuellen Beratungsmandate ausnahmsweise die Position des Theoretikers. Er sieht ein Zeitalter der Curatoren aufkommen und zeigte an vielen Beispielen auf wie neue Aufmerksamkeitsinseln entstehen, die von klassischen Unternehmen nicht mehr bespielt werden könnten. Der Mangel an strategischen Vorüberlegungen führe oft zu unsauberen Kampagnen und Auftritten: „Das Schlimmste, was passieren kann, ist wenn der Chef sagt ‚Wir müssen auf Facebook!’“. Der oft eintretende Aktionismus lasse dann vermissen, was für das Verständnis des Phänomens notwendig ist: Eine empathische Auseinandersetzung mit der Faszination, die diese Kanäle auf ihre Nutzer ausüben.
In der anschließenden Diskussionsrunde widmete man sich unter anderem der Frage, warum noch keine wissenschaftlich fundierten Erklärungsansätze für Social Media sichtbar sind. Prof. Meyer verwies daraufhin auf die Vielzahl bereits verfügbarer Studien- und Abschlussarbeiten: „Die Wissenschaft kann den Praktikern nicht alles hinterher tragen. Die ersten Erkenntnisse sind da, aber lesen müssen sie es schon selber. Und lesen Sie dann bitte auch über die Management Summary hinaus!“. Er schloss mit der Forderung, Marketers sollten ruhig mal wieder an die Uni. Diesen Appell greift der Marketing-Club gerne auf und plant bereits eine Format mit dem kennzeichnenden Motto „Science Insights“. Freuen Sie sich drauf.
Fotos: Hans Kaiser