Homeoffice und Führungskultur: wo liegen die Herausforderungen für Sie?

Hierzu haben wir im Rahmen unserer Online-Studie befragt:


Thomas Mickeleit (Director of Communications und Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland):

„Führen nach Anwesenheitszeit ist schon in herkömmlichen Strukturen nicht wirksam, aber im Home-Office offensichtlich unmöglich. Gemeinsam verabredete Ziele, ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und die Führungskraft als Coach sind Teil der Lösung.“


Alexander Wunschel (Präsident Marketing Club München):

„Die organisatorischen Abläufe unseres Marketing Club sind inzwischen komplett digitalisiert, die tägliche Arbeit und Clubführung ist auch in diesen Zeiten problemlos möglich. Die aktuelle Situation stellt uns allerdings als Community vor große Herausforderungen, da bis auf weiteres keine Präsenzveranstaltungen möglich sind. Deshalb stellen wir für eine Übergangszeit vermehrt auf Formate wie Webinare, Online Sessions, Podcasts, virtuelle Mitgliederversammlung und sogar virtuelle Weinverkostungen um. Die Erfahrungswerte mit diesen Formaten werden wir großzügig im Netzwerk teilen und damit der Digitalisierung in unserer Branche Vorschub leisten.“


Prof. Achim Wambach, PhD (Präsident des ZEW):

„Wir haben am ZEW in den letzten Tagen unsere Homeoffice-Möglichkeiten noch einmal stark erweitert. Das allerwichtigste Führungsinstrument ist derzeit die regelmäßige Kommunikation und Transparenz über unsere Entscheidungen. Wir legen deshalb viel Wert auf regelmäßige Webmeetings auf allen Ebenen, von projektbezogenen Meetings bis hin zu Informationsveranstaltungen für das ganze Haus. Die Herausforderung liegt jetzt darin, auf die Bedürfnisse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen, so dass sich niemand im Homeoffice alleine gelassen fühlt.“


Birgit Gehardt (Trendexpertin):

„Unternehmenskultur wird sich künftig an den gelebten Freiheitsgraden abzeichnen und unterscheiden. Auf dem Weg in Richtung Selbstorganisation ist die Führungskraft das Geländer, zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterinteresse das Bindeglied. Es gilt, individuell zu befähigen – und das schien auf Distanz bisher schwierig. Tatsächlich ist zur Vertrauensbildung das gemeinsame Treffen an einem Ort wirkungsvoller, weil beide Seiten ihr sensorisches Spektrum voll ausnutzen können. Dennoch ist während der Pandemie Führung über Monitor so zwingend wie zweckmäßig: Drängende Fragen konnten vor dem Hintergrund persönlicher Lebensumstände betrachtet und mit Blick auf das große Ganze gelöst werden. Homeoffice bedeutet also nicht Abwesenheit, sondern ist Einladung zu einer informelleren Form von Zusammenarbeit.“


Dr. Silke Bartsch (Vizepräsidentin Marketing Club München e.V. und Assistant Professor sowie stellvertretende Institutsleiterin des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München):

„Organisationen stoßen aufgrund der aktuellen Krisensituation und aller damit einhergehenden Einschränkungen auf große Herausforderungen. Spätestens jetzt erkennen Führungskräfte wie Mitarbeiter die Notwendigkeit der Digitalisierung – das bezieht sich nicht nur auf die Etablierung digitaler Business Modelle, sondern vor allem auf die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, um den operativen Betrieb aufrecht zu erhalten. Doch es bedarf mehr als dieser rein strukturellen und technologischen Weichenstellungen. Denn es wird genauso von Bedeutung sein, seine Mitarbeiter auf die Digitalisierungsreise mitzunehmen, transparent zu kommunizieren und sie bei allen Herausforderungen rund um die Arbeit aus dem Home Office zu unterstützen. Vielleicht entwickelt sich nun die Chance zum Umdenken: für mehr eigenverantwortliches Handeln und eine offene und digitale Unternehmenskultur.“


Prof. Dr. Marion Büttgen (Lehrstuhl für Unternehmensführung Universität Hohenheim):

„Die Corona-Krise stellt die meisten Unternehmen vor große Herausforderungen, wirtschaftlich wie auch arbeitsorganisatorisch. Sie birgt aber auch Chancen, die Führungskräfte vielleicht zu einem Umdenken bewegen können. Etablierte Prinzipien der Führung, die sich in einer Präsenzkultur bewährt haben (oder auch nicht), werden nun zwangsläufig auf den Prüfstand gestellt, da sie in der aktuellen Situation vielleicht nicht mehr praktikabel sind. Dies erfordert nicht nur Flexibilität im eigenen Denken und Handeln, in der Organisation, Koordination und Delegation von Aufgaben, die sich zudem auch noch massiv ändern können in der aktuellen Situation. Es erfordert auch eine selbstkritische Reflexion der eigenen Rolle als Führungskraft: Was muss und was kann ich (selber) machen? Wie und mit wem kann eine Aufgabe am besten bewältigt werden? Wie viel Freiraum und Selbstverantwortung kann bzw. sollte ich meinen Mitarbeitern geben? Inwieweit kann und muss ich sie dabei unterstützen, ihre Arbeit in dieser ungewohnten Situation unter oftmals erschwerten Rahmenbedingungen (Kinderbetreuung zu Hause, Umgang mit neuen Technologien etc.) adäquat zu erledigen? Wie oft und in welcher Form sollte ein Austausch mit ihnen stattfinden? Lauter Fragen, deren Beantwortung vielleicht auch über die Krise hinaus Gültigkeit haben kann und so eine nachhaltige Veränderung von Führung bewirkt.“


Dr. Roland Scheble (Leiter HA Strategie und Innovationsmanagement Bayerischer Rundfunk):

„Für die Reporterinnen und Reporter des Bayerischen Rundfunks ist mobiles Arbeiten schon immer eine Notwendigkeit, um die Informationen aus allen Regionen Bayerns sicherzustellen. Für alle anderen Mitarbeitenden in Redaktion, Technik und Verwaltung galt das bisher nur begrenzt. Wir hatten schon 2014 Pilotprojekte gestartet, insbesondere im Bereich der IT – mit sehr positiven Rückmeldungen. Ein Erkenntnisgewinn war aber auch, dass der Anspruch an die Art und Weise der Kommunikation sowie die Intensität der Zusammenarbeit von Team zu Team unterschiedlich ist – je nach Aufgaben, technischen Rahmenbedingungen und Teamzusammensetzung. Jetzt in der Corona-Krise zeigt sich, wie schwierig es ist, von heute auf morgen zu Hause einen technisch funktionierenden und ungestörten Arbeitsplatz zu schaffen. Unsere Führungskräfte sind dabei besonders gefragt: Sie müssen alle ihre Mitarbeiter/innen „mitnehmen“ und das Teamgefühl erhalten. Dazu gehört, verstärkt zu kommunizieren und zu besprechen, wie sich für jede/n Einzelne/n diese Situation meistern lässt. Neue Strukturen und Routinen müssen aufgebaut werden, und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit dürfen nicht verloren gehen. Letztendlich ist einer der wichtigsten Faktoren das Vertrauen der Führungskräfte in ihre Mitarbeitenden – es motiviert, Hürden kreativ zu überwinden und so weiter Programm zu ermöglichen, das den Menschen in dieser Zeit hilft.“


Beate Zarges (Beiratsmitglied im Marketing Club München e.V. und verantwortlich für Unternehmenskommunikation in einem mittelständischen Unternehmen):

„Grundsätzliches, wie gegenseitiges Vertrauen, Motivation und transparente Kommunikation spielen in Krisenzeiten eine noch wichtigere Rolle. Der Spagat besteht darin, zwischen klar strukturierten Arbeitsabläufen und individuellen Bedürfnissen mit dem richtigen Außenmaß zu agieren.“