Datum: 18.6.2013 / 18:00 - 21:00 Uhr
Referent: Diverse
Moderation: Mareike Siedler
Teilnehmer: Mitglieder
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Das Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) ist die erste vollklinische Protonen-Bestrahlungsanlage in Europa. Sie ist auf Initiative des Münchner Chirurgen PD Dr. med. Dr. habil. Hans Rinecker entstanden und seit März 2009 in Betrieb.

Am 18.06.2013 zog es mehr als fünfzig Teilnehmer zu einem ganz besonderen „Marketing vor Ort“ ins RPTC. Besonders, da man nicht jeden Tag Gelegenheit hat, hinter die Kulissen einer solch gigantischen und zugleich faszinierenden Anlage blicken zu können. Besonders aber auch, da es die letzte Veranstaltung war, welche noch zu Lebzeiten vom langjährigen Präsidenten des Marketing-Club München Prof. Dr. Erwin Seitz, welcher am 29.05.2013 leider verstarb, organisiert wurde.

Inhalt und Thematik wurden ganz bewusst noch von Prof. Dr. Seitz bestimmt, der selbst an den Folgen von Krebs unerwartet rasch verstorben ist und im Verlauf seiner eigenen Erkrankung mit Marketing-Problemen direkt konfrontiert wurde. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, Marketingaspekte bei vital bedrohlichen Krankheiten einer anderen öffentlichen Wertung als im neutralen Handelsbereich zuzuführen.

Die Veranstaltung begann mit einer beeindruckenden Führung durch das riesige Therapiezentrum, welche so manche Herausforderungen einer solchen Klinik offenbart:

Bspw. erhält jeder Patient seine eigene Lagerhilfe, welche ihm angepasst wird und dadurch garantiert, den Patienten wieder in exakt die gleiche Haltung zu bringen. Die Bestrahlung durch Protonen erfolgt auf den Millimeter genau, was eine solche Maßnahme unbedingt notwendig macht. Das Bestrahlungsgerät wiegt 150t, kann um 360 Grad um den Patienten gedreht werden und wirkt im Behandlungszimmer sehr modern. Die wahre Größe des Bestrahlungsgeräts erkennt man allerdings erst, wenn man einen Blick hinter den Behandlungsraum riskiert. Das RPTC versorgt ca. 4.000 Patienten im Jahr in vier solcher Räume.

Im Anschluss an die Führung eröffnete Prof. Dr. G. Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München, die Vortragsreihe mit einem Plädoyer für den Wettbewerb als Motor für Innovation und Weiterentwicklung und letztlich als Ausdruck der Freiheit unter Alternativen liberal wählen zu können. Er räumte einen gewissen Regelungsbedarf in freien Systemen ein, lehnte jedoch Eingriffe im Sinne von Regulierung ab.

Danach schloss sich ein Vortrag von ChA Dr. Marc Walser an, der die basalen physikalischen Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten der Protonentherapie erklärte. Auch wenn man sie nicht zum ersten Mal hört, sind die Zahlen doch immer wieder erschreckend: 490.000 Menschen erkranken jedes Jahr neu an Krebs, Tendenz steigend, davon ca. 1.800 Kinder unter 13 Jahren. 218.000 Patienten sterben jährlich. Das Ziel der Protonentherapie und somit des Rinecker Centers ist laut Walser eindeutig die „maximale Konzentration der Dosis auf den Tumor, bei maximaler Schonung des gesunden Gewebes.“

Fr. Valerie Rinecker, aus der Finanz und Strategie Abteilung der ProHealth AG, stellte die Wettbewerbs-und Marketingprobleme der Protonentherapie in Deutschland und speziell im Ballungsbereich München dar, wobei sie erläutert, dass die Protonentherapie auf lange Sicht die günstigere Alternative gegenüber der bisher üblichen Bestrahlung durch Röntgen sein kann, wenn man die Gesamtkosten einer Krebstherapie und der Erkrankung, beispielsweise Kosten durch Nebenwirkungen, Reha, Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit etc., in Betracht zieht.“.

Dr. Hans Rinecker erklärte, „die physikalische Grenze der Optimierung haben wir erreicht“. In der anschließenden, lebhaften Diskussion wurden jedoch auch die wissenschaftlichen und finanziellen Probleme thematisiert, die die Etablierung der Protonentherapie – bis auf wenige harte Indikationen – im Standardarmentarium der Strahlentherapie bislang verhindert haben.

Nachfolgend gab Dr. Abenhardt, internistischer Onkologe im Elisenhof München und zuletzt auch behandelnder Arzt von Prof. Dr. Seitz, einen kritischen Zustandsbericht zur onkologischen Versorgung in Deutschland mit Darstellung von existenzverdrängendem Wettbewerb in München, Fehl-, Unter- und Überversorgung, umfassender Budgetierung und Leistungsbegrenzung sowie Verfall moralischer Werte in der Spezialmedizin. Das politisch gewollte neue Versorgungssystem der ASV (Ambulante spezialfachärztliche Versorgung) sieht eine interdisziplinäre, transsektorale und kollegiale Kooperation zwischen Praxis und Krankenhaus bei schweren Krankheitsverläufen vor, z.B. in der Onkologie.