Datum: 15.1.2013 / 19:20 - 21:00 Uhr
Referent: Dr. Gerald Butterwegge / Bissantz & Company
Moderation: Dr. Peter Mielmann
Teilnehmer: Mitglieder
Ort / Anfahrt: MCM Geschäftsstelle, Edelsbergstr. 8, 80686 München

Das Themenmotto des Marketing-Clubs München im Jahre 2013 lautet „Insights“. Somit widmete sich die erste Veranstaltung des Jahres am 15.01.2013 einem Thema, mit dem Verantwortliche in Marketing und Vertrieb tagein, tagaus zu tun haben: der Managementinformation. Wie müssen Managementberichte und „Dashboards“ gestaltet sein, damit sie die Realität „richtig“ abbilden? Jeder kennt die üblichen Darstellungsformen – Diagramme mit Säulen, Balken, Linien, Torten, Ampeln, Tachos. Aber sind sie für das Management wirklich eine Hilfe? Lohnt sich der Aufwand, der für ihre Erstellung getrieben wird?

Der Referent, Dr. Gerald Butterwegge, ist bei Bissantz & Company GmbH, einem Hersteller von Business-Intelligence-Software aus Nürnberg, im Business Development tätig. Er begann sein spannend gehaltenes Referat mit einer Schilderung der Umstände, die zur Explosion der Raumfähre Challenger im Januar 1986 geführt haben. Er erläuterte, dass alle Informationen über die Risiken, die letztlich zu der Katastrophe führten, vor dem Start bekannt waren und dem Management vorlagen – aber sie verloren sich in Berichten ohne Aussagekraft und verfehlten ihre Wirkung beim Management: Man entschied, den Start freizugeben, die Challenger explodierte keine 2 Minuten nach dem Start, die sieben Astronauten starben, eine Milliarden-Dollar-Investition löste sich buchstäblich in Luft auf. Für Herrn Butterwegge ein schlimmes Beispiel, wie eine missratene Informationskultur zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen kann.

Zum Glück geht es bei Entscheidungen im betrieblichen Alltag meistens nicht um derart dramatische Sachverhalte. Und dennoch: Wer entscheidet, trägt Verantwortung – und wer die dafür benötigten Informationen bereitstellt oder präsentiert, ebenfalls. In Mode sind derzeit sogenannte „Dashboards“, Nachbildungungen von Autoarmaturenbrettern, die ein Abbild der Unternehmenssituation geben sollen. Jedoch sind die eigentlichen Kennzahlen nur plakativ zu erkennen; anstelle präziser, vergleichbarer Daten dominieren allzu oft großformatige Grafiken, die zwar mit hübschen Effekten verziert sind, die aber mangels Dichte und Abbildungstreue kaum die richtigen Signale setzen können. Extrem ist das bei Ampeldarstellungen, die ohne Not eine ganze Bandbreite von Werten auf die drei Farben Rot, Gelb, Grün reduzieren. Butterwegge zeigte, wie ein fast naives Vertrauen auf die Ampelsignale zum Untergang der Landesbank Sachsen führte. Auch bei den Schwierigkeiten der Bayerischen Landesbank konnte eine Ampellogik nichts verhindern und als die ersten Verzögerungen beim Bau des Flughafens Berlin bekannt wurden, spottete sogar die Presse über die Ampeln im Projektmanagement. Für den Referenten liegt das Problem der Ampeln in der Verkürzung einer differenzierten Aussage über die wirtschaftliche Realität auf ein simples Signal, das Eindeutigkeit suggeriert. Eindringlich warnte er: Ampeln sind keine Entscheidungshilfe, sondern vorweggenommene Entscheidungen!

Als Argument für die bildlichen Darstellungsformen wird genannt, dass das Management doch so sehr an einer Informationsflut leide. Bei genauer Betrachtung sei das aber ein Ammenmärchen, meinte der Referent; das menschliche Gehirn lechze doch geradezu nach Informationen und Neuigkeiten. Wenn jemand über Informationsflut klage, dann sei das meist ein Problem der Darstellung, nicht der Menge. Umgerechnet auf eine DIN-A4-Seite geben Tageszeitungen im Finanz- oder Börsenteil bis zu 3.500 Werte wieder. Mit dieser Menge kommt man dennoch gut zurecht, weil die Struktur klar und übersichtlich ist, weil alle Werte konkret angegeben sind, weil sie nicht in andere Darstellungsformen codiert sind und weil die Werte vergleichbar sind.

Manche Falschdarstellungen gehen wohl zurück auf falsche Standardeinstellungen in Programmen wie Microsoft Excel. Zum Beispiel werden bei dicht zusammenliegenden Werten Achsenabschnitte automatisch gekürzt und dadurch die Wertverhältnisse verzerrt wiedergegeben. In Tortendiagrammen ist bei einer größeren Zahl von Elementen kein Platz mehr für notwendige Wertepaare und die kreisförmige Anordnung der Beschriftung erschwert die Lektüre. Generell kann das Auge Flächen nur unzureichend genau vergleichen. Welchen Sinn haben dann Darstellungen, in denen Zahlen als Fläche repräsentiert werden? Für die Zuverlässigkeit und Wartbarkeit von Berichtssystemen ist bei Excel zudem problematisch, dass nicht zwischen Speicherung und Darstellung unterschieden wird.

Auch weit verbreitete und kaum hinterfragte Darstellungen nahm Herr Butterwegge genau unter die Lupe: So zeigte er, dass Zeitreihendiagramme, die zum Beispiel Umsatz- oder Preisentwicklungen veranschaulichen sollen, nur absolute Wertänderungen vergleichbar darstellen können. Um die geht es aber praktisch nie: Bei betrieblichen Kennzahlen kommt es fast immer auf die prozentuale Veränderung an. Und die stellt ein herkömmliches Diagramm (mit linearer Skala) verzerrt dar. Wer prozentuale Veränderungen analysieren und vergleichen möchte, braucht eine logarithmische Skala.

Nachdem Herr Butterwegge die vielfältigen Fehler in den Darstellungen plausibel illustriert hatte, resümierte er: Wenn beim Codieren von Zahlen in Grafiken so viel schiefgehen kann, wenn die Lektüre von Grafiken so viel Zeit benötigt, bis man sich über die Integrität der Darstellung sicher sein kann – dann sind Tabellen mit Zahlen oft die bessere Alternative. Anhand des Programms DeltaMaster von Bissantz & Company stellte er sogenannte grafische Tabellen vor. In die Zellen der Tabelle werden kleine grafische Elemente eingebettet, zum Beispiel Balken oder Mini-Zeitreihendiagramme (Sparklines). Grafische Tabellen sind so einfach zu lesen und zu erstellen wie normale Tabellen; die grafischen Elemente führen das Auge und erlauben Mustervergleiche. Die Voreinstellungen von DeltaMaster sorgen dafür, dass Wertentwicklungen und Abweichungen automatisch richtig dargestellt und Standards eingehalten werden, ohne dass der Anwender von Bericht zu Bericht darauf achten muss. Butterwegge sieht darin eine Verantwortung der Softwarehersteller: Sie haben auf Voreinstellungen zu achten, die die Integrität der erzeugten Berichte sicherstellen. Ein weiterer Baustein für eine sinnvolle Managementinformation liegt in der interaktiven Analyse von betrieblichen Kennzahlen. Interessant seien schließlich oft nicht einfache Umsatzzahlen oder Ähnliches, sondern die Veränderungen, die Abweichungen, die Unterschiede. Das Programm DeltaMaster stellt dazu zahlreiche Verfahren bereit, mit denen sich betriebswirtschaftliche Fragestellungen buchstäblich per Mausklick gründlich analysieren lassen. Die Ergebnisse solcher Auswertungen, zum Beispiel Ursachen- oder Treiberanalysen, werden wiederum als leicht verständliche und automatisch formatierte Berichte gespeichert und verbreitet.

Während des Referats und danach wurde reichlich diskutiert – die Reflektion der eigenen Informationskultur gab manchen Teilnehmern sichtlich zu denken und dürfte Impulse für den eigenen Verantwortungsbereich vermittelt haben.

Text und Fotos: Dr. Peter Mielmann