Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter

Das Coronavirus ändert schlagartig alles. Und für viele Unternehmen war es deshalb das geringere Übel, seinen Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen. Keiner weiß im Moment, wie lange uns Covid-19 in Atem halten wird und mit welchen Auswirkungen. Doch dies soll hier nicht das Thema sein. Sondern die Frage, welche Chancen und Herausforderungen das Homeoffice für Unternehmen und seine Mitarbeiter mit sich bringt. Hierzu erläutern wir einige Kennzahlen und lassen Führungskräfte zu Wort kommen. Und wir freuen uns über Ihre rege Teilnahme an einer wissenschaftlichen Online-Studie „Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter“, die wir in Zusammenarbeit mit dem Institut für Marketing an der LMU München und Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Hohenheim bis zum 8. Mai 2020 durchführen werden, Medienpartner ist der Münchner Merkur.

Über die Ergebnisse werden wir Sie zeitnah informieren.

Und hier geht es direkt zur Umfrage für die Online-Studie „Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter“.
Wir freuen uns über Ihre Weiterleitung der Studie, vielen Dank!

Homeoffice in Deutschland – vor Corona

von Beate Zarges und Dr. Silke Bartsch

Knapp neun von zehn Beschäftigten in Deutschland können ihre Arbeitszeiten gut bis sehr gut mit ihren familiären und sozialen Verpflichtungen vereinbaren. Ist mobiles Arbeiten erlaubt, sind Mitarbeiter zufriedener. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (Ambivalente Flexibilität, IW-Trends 4/2019)

Dank Homeoffice lassen sich Familie und Beruf also besser vereinbaren, wobei dies sicherlich nur eingeschränkt auf extreme Situationen wie die aktuelle Corona-Krise zutrifft. Und wenn die Corona-Krise etwas Positives bewirkt, dann sicherlich den daraus resultierenden Digitalisierungsschub in Deutschland. Sicherlich, Fragen zu Datenschutzvereinbarungen und Anforderungen an den Arbeitsschutz müssen vorher geklärt werden. Doch wie die Praxis bei Unternehmen wie zum Beispiel Microsoft zeigt, sind dies keine unüberwindbaren Hürden. Seit 2014 gibt es bei Microsoft eine Betriebsvereinbarung zum Vertrauensarbeitsort und seit 1998 gilt im Konzern Vertrauensarbeitszeit – für jeden Mitarbeiter. Allerdings sind bei Change-Management-Prozess gerade Führungskräfte gefragt. Die „IW-Studie“ belegt darüber hinaus, dass eine familienfreundliche Unternehmenskultur eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellt. Durch sie werden positive Effekte flexibler Arbeitsorganisationen gefördert, wozu auch mobiles Arbeiten zählt. Und ergebnisorientiertes Führen ist in diesen Unternehmen ebenfalls kein Fremdwort. Häufig kann man hier auch einen fortgeschrittenen Digitalisierungsgrad feststellen. Und: Mitarbeiter haben keine Befürchtungen, durch mobiles Arbeiten Karrierechancen zu verpassen.

Keine Frage, mobiles Arbeiten – also Homeoffice und Arbeiten von unterwegs, werden unsere Arbeitswelt im 21. Jahrhundert prägen. Doch wo stand Deutschland eigentlich vor „Corona“? Eine Betriebs- und Beschäftigungsbefragung „Linked Personnel Panel“ für privatwirtschaftliche Betriebe mit mindestens 50 Mitarbeitern von 2018 (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim gemeinsam mit Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg) führte zu folgenden Ergebnissen: Ganze Homeoffice-Tage waren vergleichsweise selten, wobei zum damaligen Zeitpunkt mehr Führungskräfte als Mitarbeiter diese Option genutzt haben. Wenn es um die Möglichkeit für Mitarbeiter ging, im Homeoffice zu arbeiten, spielte der Vorgesetzte eine wichtige Rolle. Denn bei gut zwei Drittel der Beschäftigten war dessen negative Haltung zum Thema Homeoffice ausschlaggebend dafür, nicht von zu Hause aus zu arbeiten. Und das, obwohl die Studie gleichzeitig belegte, dass Homeoffice für viele mit einer leichteren Strukturierung des Arbeitsalltags einherging und Pendelzeiten eingespart wurden. Man kann davon ausgehen, dass diese Ergebnisse bis vor kurzem, also vor der Corona-Krise, Realität in den meisten Unternehmen war.

Sicherlich, es gibt auch beim Homeoffice eine Kehrseite, wie Junior-Prof. Dr. Susanne Steffes (Mitautorin der Studie und ZEW-Wissenschaftlerin) erläutert, „denn eine stärkere Vermischung von Arbeits- und Privatleben kann auch zu Konflikten und psychischen Belastungen führen.“ Eine Situation, die deutlich macht, dass auch hier Führungskräfte gefordert sind, um ihre Mitarbeiter bei der Gestaltung von mobiler Arbeit zu unterstützen. Keine Frage, mobiles Arbeiten braucht klare Regeln, die es auf Seiten des Unternehmens zu definieren und von allen Beteiligten umzusetzen gilt: „Von den Unternehmen ist Vertrauen gefordert, von den Mitarbeitern Selbstorganisation und auch Selbstdisziplin“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Homeoffice und Führungskultur: wo liegen die Herausforderungen für Sie?

Hierzu haben wir nachfolgende Personen im Vorfeld unserer Online-Studie befragt:

Dr. Silke Bartsch (Vizepräsidentin Marketing Club München e.V. und Assistant Professor sowie stellvertretende Institutsleiterin des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München):

„Organisationen stoßen aufgrund der aktuellen Krisensituation und aller damit einhergehenden Einschränkungen auf große Herausforderungen. Spätestens jetzt erkennen Führungskräfte wie Mitarbeiter die Notwendigkeit der Digitalisierung – das bezieht sich nicht nur auf die Etablierung digitaler Business Modelle, sondern vor allem auf die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, um den operativen Betrieb aufrecht zu erhalten. Doch es bedarf mehr als dieser rein strukturellen und technologischen Weichenstellungen. Denn es wird genauso von Bedeutung sein, seine Mitarbeiter auf die Digitalisierungsreise mitzunehmen, transparent zu kommunizieren und sie bei allen Herausforderungen rund um die Arbeit aus dem Home Office zu unterstützen. Vielleicht entwickelt sich nun die Chance zum Umdenken: für mehr eigenverantwortliches Handeln und eine offene und digitale Unternehmenskultur.“


Oliver Blüher, Country-Manager Slack DACH:

„Die wohl größte Herausforderung ist die Umstellung der Denkweise: Ergebnisse werden plötzlich viel wichtiger als die reinen Prozesse, weil wir die Mitarbeiter und ihre Arbeit nicht mehr direkt sehen. Wir brauchen mehr Vertrauen, weil wir weniger Kontrolle haben. Gleichzeitig müssen wir selbst Vertrauen und Sicherheit ausstrahlen, indem wir verfügbar sind und unterstützen. Und wir müssen dafür sorgen, dass allen Mitarbeitern zu jeder Zeit klar ist, was ihre Rolle ist und welche Aufgaben sie übernehmen. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr Kollaboration!“


Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.:

„In der derzeitigen Corona-Krise erhalten die Möglichkeiten der Heimarbeit die Arbeitsfähigkeit vieler Belegschaften. Heimarbeit heißt in diesen Zeiten auch Gesundheitsschutz.

Generell fördert mobiles Arbeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und stärkt die Zeitsouveränität der Mitarbeiter. Aber nicht an allen Arbeitsplätzen ist mobiles Arbeiten möglich oder sinnvoll. Es muss der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überlassen bleiben, wo der Arbeitseinsatz der Mitarbeiter erfolgt. Zu klären sind zudem praktische und rechtliche Fragen, zum Beispiel die Organisation der innerbetrieblichen Kommunikation, die Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes und die Frage nach dem Datenschutz bei der Vernetzung mobiler und stationärer Tätigkeiten.“


Prof. Dr. Marion Büttgen (Lehrstuhl für Unternehmensführung Universität Hohenheim):

„Die Corona-Krise stellt die meisten Unternehmen vor große Herausforderungen, wirtschaftlich wie auch arbeitsorganisatorisch. Sie birgt aber auch Chancen, die Führungskräfte vielleicht zu einem Umdenken bewegen können. Etablierte Prinzipien der Führung, die sich in einer Präsenzkultur bewährt haben (oder auch nicht), werden nun zwangsläufig auf den Prüfstand gestellt, da sie in der aktuellen Situation vielleicht nicht mehr praktikabel sind. Dies erfordert nicht nur Flexibilität im eigenen Denken und Handeln, in der Organisation, Koordination und Delegation von Aufgaben, die sich zudem auch noch massiv ändern können in der aktuellen Situation. Es erfordert auch eine selbstkritische Reflexion der eigenen Rolle als Führungskraft: Was muss und was kann ich (selber) machen? Wie und mit wem kann eine Aufgabe am besten bewältigt werden? Wie viel Freiraum und Selbstverantwortung kann bzw. sollte ich meinen Mitarbeitern geben? Inwieweit kann und muss ich sie dabei unterstützen, ihre Arbeit in dieser ungewohnten Situation unter oftmals erschwerten Rahmenbedingungen (Kinderbetreuung zu Hause, Umgang mit neuen Technologien etc.) adäquat zu erledigen? Wie oft und in welcher Form sollte ein Austausch mit ihnen stattfinden? Lauter Fragen, deren Beantwortung vielleicht auch über die Krise hinaus Gültigkeit haben kann und so eine nachhaltige Veränderung von Führung bewirkt.“


Birgit Gehardt (Trendexpertin):

Foto: Rebecca Hoppé

„Unternehmenskultur wird sich künftig an den gelebten Freiheitsgraden abzeichnen und unterscheiden. Auf dem Weg in Richtung Selbstorganisation ist die Führungskraft das Geländer, zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterinteresse das Bindeglied. Es gilt, individuell zu befähigen – und das schien auf Distanz bisher schwierig. Tatsächlich ist zur Vertrauensbildung das gemeinsame Treffen an einem Ort wirkungsvoller, weil beide Seiten ihr sensorisches Spektrum voll ausnutzen können. Dennoch ist während der Pandemie Führung über Monitor so zwingend wie zweckmäßig: Drängende Fragen konnten vor dem Hintergrund persönlicher Lebensumstände betrachtet und mit Blick auf das große Ganze gelöst werden. Homeoffice bedeutet also nicht Abwesenheit, sondern ist Einladung zu einer informelleren Form von Zusammenarbeit.“


Thomas Mickeleit (Director of Communications und Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland):

„Führen nach Anwesenheitszeit ist schon in herkömmlichen Strukturen nicht wirksam, aber im Home-Office offensichtlich unmöglich. Gemeinsam verabredete Ziele, ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und die Führungskraft als Coach sind Teil der Lösung.“


Dr. Roland Scheble (Leiter HA Strategie und Innovationsmanagement Bayerischer Rundfunk):

„Für die Reporterinnen und Reporter des Bayerischen Rundfunks ist mobiles Arbeiten schon immer eine Notwendigkeit, um die Informationen aus allen Regionen Bayerns sicherzustellen. Für alle anderen Mitarbeitenden in Redaktion, Technik und Verwaltung galt das bisher nur begrenzt. Wir hatten schon 2014 Pilotprojekte gestartet, insbesondere im Bereich der IT – mit sehr positiven Rückmeldungen. Ein Erkenntnisgewinn war aber auch, dass der Anspruch an die Art und Weise der Kommunikation sowie die Intensität der Zusammenarbeit von Team zu Team unterschiedlich ist – je nach Aufgaben, technischen Rahmenbedingungen und Teamzusammensetzung. Jetzt in der Corona-Krise zeigt sich, wie schwierig es ist, von heute auf morgen zu Hause einen technisch funktionierenden und ungestörten Arbeitsplatz zu schaffen. Unsere Führungskräfte sind dabei besonders gefragt: Sie müssen alle ihre Mitarbeiter/innen „mitnehmen“ und das Teamgefühl erhalten. Dazu gehört, verstärkt zu kommunizieren und zu besprechen, wie sich für jede/n Einzelne/n diese Situation meistern lässt. Neue Strukturen und Routinen müssen aufgebaut werden, und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit dürfen nicht verloren gehen. Letztendlich ist einer der wichtigsten Faktoren das Vertrauen der Führungskräfte in ihre Mitarbeitenden – es motiviert, Hürden kreativ zu überwinden und so weiter Programm zu ermöglichen, das den Menschen in dieser Zeit hilft.“


Prof. Achim Wambach, PhD (Präsident des ZEW):

„Wir haben am ZEW in den letzten Tagen unsere Homeoffice-Möglichkeiten noch einmal stark erweitert. Das allerwichtigste Führungsinstrument ist derzeit die regelmäßige Kommunikation und Transparenz über unsere Entscheidungen. Wir legen deshalb viel Wert auf regelmäßige Webmeetings auf allen Ebenen, von projektbezogenen Meetings bis hin zu Informationsveranstaltungen für das ganze Haus. Die Herausforderung liegt jetzt darin, auf die Bedürfnisse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen, so dass sich niemand im Homeoffice alleine gelassen fühlt.“


Alexander Wunschel (Präsident Marketing Club München):

„Die organisatorischen Abläufe unseres Marketing Club sind inzwischen komplett digitalisiert, die tägliche Arbeit und Clubführung ist auch in diesen Zeiten problemlos möglich. Die aktuelle Situation stellt uns allerdings als Community vor große Herausforderungen, da bis auf weiteres keine Präsenzveranstaltungen möglich sind. Deshalb stellen wir für eine Übergangszeit vermehrt auf Formate wie Webinare, Online Sessions, Podcasts, virtuelle Mitgliederversammlung und sogar virtuelle Weinverkostungen um. Die Erfahrungswerte mit diesen Formaten werden wir großzügig im Netzwerk teilen und damit der Digitalisierung in unserer Branche Vorschub leisten.“


Beate Zarges (Beiratsmitglied im Marketing Club München e.V. und verantwortlich für Unternehmenskommunikation in einem mittelständischen Unternehmen):

„Grundsätzliches, wie gegenseitiges Vertrauen, Motivation und transparente Kommunikation spielen in Krisenzeiten eine noch wichtigere Rolle. Der Spagat besteht darin, zwischen klar strukturierten Arbeitsabläufen und individuellen Bedürfnissen mit dem richtigen Augenmaß zu agieren.“ 


Bildnachweise:
Teasergrafik: Pixabay:GDJ
Gehardt: Copyright Rebecca Hoppé
ZEW/Wambach: Copyright Anna Logue Fotografie